Therapie bei histrionischer Persönlichkeitsstörung: Alles für die Aufmerksamkeit

Die histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS) ist eine psychische Störung, die in erster Linie durch übermäßige Emotionalität und ein starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit gekennzeichnet ist. Sie ist eine von mehreren Persönlichkeitsstörungen und gehört gemäß DSM 5 zur Cluster-B-Gruppe. Um aufzuzeigen, welche Therapie bei histrionischer Persönlichkeitsstörung helfen kann, möchte ich zunächst die verschiedenen Facetten des Krankheitsbilds sowie den Wortstamm genauer beleuchten:

Was bedeutet der Begriff “histrionisch”?

Das Adjektiv histrionisch hat seine Wurzeln im lateinischen Substantiv “histrio” – “Schauspieler“. Histrionisch wurde als fachsprachliche Neubildung etabliert, um den Begriff ”hysterisch“ abzulösen, der in der therapeutischen Praxis außerhalb der Psychoanalyse als abwertend, bzw. veraltet wahrgenommen wird.

Schauspieler mit übergroßer Schachfigur: Histrioniker leben im "Darbietungsmodus"

Affektiert, dramatisch, übersteigert & egozentrisch – Die Show als Instrument der Manipulation

Der Wortstamm zeichnet bereits ein interaktives Bild – die “Darbietung” impliziert auch ein “Publikum”; die Quelle der Aufmerksamkeit. Doch mit welchem Verhalten holen sich Personen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung (HPS) die Aufmerksamkeit ein? Inwiefern manipulieren sie ihre Mitmenschen?

Verhalten & Symptome bei der histrionischen Persönlichkeitsstörung

 

Übertriebene Emotionalität:

Betroffene äußern oft sehr intensive und wechselhafte Gefühle. Ihre emotionalen Reaktionen sind häufig unverhältnismäßig stark im Vergleich zu der auslösenden Situation. Ein Moment der Euphorie kann schnell von tiefer Traurigkeit oder Wut abgelöst werden. Dies kann die Betroffenen in ihrer Lebensführung immens beeinflussen. Personen mit HPS haben zudem oft Schwierigkeiten, ihre eigenen Gefühle klar zu erkennen und einzuordnen. Sie neigen daher auch dazu, die Gefühle anderer zu überinterpretieren und in ihre dramatischen Reaktionen einzubeziehen.

 

Frau in verschiedenen Gefühlslagen: Übersteigerte Emotionen bei Histrionikern

Bedürfnis nach Anerkennung:

Ein starkes Verlangen nach Aufmerksamkeit und Anerkennung ist besonders charakteristisch. Betroffene fühlen sich unwohl, wenn sie nicht im Mittelpunkt stehen. Dies wird deutlich durch:

  • Dramatisches Verhalten & Selbstdramatisierung: Histrionische Personen neigen zu theatralischen und übertriebenen Verhaltensweisen. Sie können sehr impulsiv und unvorhersehbar handeln und Ereignisse und Situationen dramatisieren, um die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu ziehen.
  • Histrionische Personen fokussieren sich stark auf sich selbst und ihre Bedürfnisse. Sie erwarten aus ihrer Selbstzentrierung heraus oft, dass andere sich nach ihnen richten und ihre Wünsche erfüllen.
  • Betroffene neigen dazu, sich unangemessen verführerisch oder sexuell provokativ zu verhalten, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Dieses Verhalten kann sowohl in sozialen als auch in beruflichen Kontexten unpassend sein und führt oft zu Missverständnissen und Konflikten.

»» Unter der dramatischen und auffälligen Fassade liegt häufig eine tiefe Unsicherheit. Betroffene haben oft ein fragiles Selbstwertgefühl. Durch positive Rückmeldungen fühlen sie sich wertgeschätzt, sicher und geliebt. Diese Dynamik prägt in der Regel sämtliche Beziehungen von Histrioniker:innen.

 

Betroffene und ihre Beziehungen mit Partnern, Freunden und Familie

Personen mit HPS haben eine starke Angst vor Ablehnung oder Nichtbeachtung. Die Anerkennung von außen hilft ihnen, diese Angst zu mindern und sich akzeptiert zu fühlen. In ihren Beziehungen versuchen Betroffene daher oft, sich als Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu positionieren, um sicherzustellen, dass sie nicht ignoriert oder verlassen werden und um ihren Platz in der Beziehung zu sichern.

  • Ein Effekt davon ist, dass Betroffene ihre Partner, Angehörige oder Freunde überfordern und Erwartungen haben, die diese nicht erfüllen können. Dies führt regelmäßig zu dramatischen Enttäuschungen und Spannungen.
  • Ferner werden Bezugspersonen permanent als Quelle der Aufmerksamkeit manipuliert. Es entsteht kein gleichwertiges Gefüge zwischen beiden Partnern, ein harmonisches Miteinander ist kaum möglich. Im Umgang mit dieser Disbalance erschöpft sich der Andere.

»» Histrioniker:innen haben letztlich oft Schwierigkeiten, stabile und gesunde Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.

Bekümmertes Liebespaar: Instabile Beziehungen bei Histrionikern

Weitere Merkmale sind:

  • Beeinflussbarkeit: Menschen mit HPS sind leicht beeinflussbar und ändern ihre Meinungen und Gefühle schnell in Reaktion auf die Meinungen und Reaktionen anderer.
  • Sucht nach neuen Erlebnissen: Histrionische Personen suchen ständig nach neuen, aufregenden Erlebnissen und können im Nu gelangweilt oder frustriert sein, wenn sie Routine oder Monotonie erleben.
  • Suchtmittel als Bewältgungsstrategie: Substanzen wie Alkohol oder Drogen können als Mittel zur kurzfristigen Beruhigung oder Ablenkung von emotionalem Stress, Unsicherheit oder innerer Leere genutzt werden.
  • Geringe Frustrationstoleranz: Betroffene haben oft Schwierigkeiten, Frustrationen und Enttäuschungen zu tolerieren. Sie reagieren rasch mit intensiven Emotionen auf kleinere Rückschläge oder Kritik.
  • Weiteres: Wutausbrüche, Weinkrämpfe, Suizidandrohungen, oberflächlicher Eindruck auf Andere, Fokus auf äußeres Erscheinungsbild, effekt-betonter Sprachstil

 

Ursachen der histrionischen Persönlichkeitsstörung sind multifaktoriell:

  • Es gibt Hinweise darauf, dass genetische Veranlagungen eine Rolle bei der Entwicklung von HPS spielen können. Menschen mit einer familiären Vorgeschichte von Persönlichkeitsstörungen haben ein höheres Risiko, selbst eine solche Störung zu entwickeln.
  • Neurologische und biochemische Unterschiede im Gehirn können zur Entstehung von HPS beitragen. Ungleichgewichte in Neurotransmittern, die Emotionen und Stimmungen regulieren, könnten eine Rolle spielen.
  • Traumatische Kindheitserfahrungen wie emotionaler Missbrauch oder Vernachlässigun können die Entwicklung der Störung fördern. In vielen Fällen haben Betroffene in ihrer Kindheit gelernt, dass sie durch dramatisches Verhalten und das Suchen nach Aufmerksamkeit Zuneigung und Bestätigung erhalten. Diese erlernten Verhaltensweisen setzen sie im Erwachsenenalter fort.
  • Über die Zeit haben sie festgestellt, dass ihre auffälligen und emotionalen Verhaltensweisen oft die gewünschte Aufmerksamkeit und Reaktion von anderen hervorrufen. Solch soziale Verstärkung fördert das fortgesetzte Suchen nach Anerkennung.

»» Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist komplex und individuell unterschiedlich. In der Therapie ist es maßgeblich, diese verschiedenen Einflüsse zu berücksichtigen.

 

Differenzierte Diagnose

Oftmals finden Betroffene wegen einer Depression oder Angststörung – die zeitgleich mit der HPS auftreten können – den Weg in meine Praxis. Zudem zeigt sich die HPS häufig zusammen mit einer narzisstischen oder Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Die Diagnose “Histrioniker“ erfolgt in der Regel durch einen qualifizierten Psychiater oder Psychotherapeuten. In meiner Praxis für Psychotherapie in Berlin-Wilmersdorf nutze ich ausführliche Gespräche und standardisierte Fragebögen, um die Symptome und das Verhalten der Betroffenen zu bewerten. Laut dem DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, um eine Diagnose zu stellen. Dazu gehören unter anderem wie oben beschrieben, ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung, unangemessen verführerisches Verhalten und eine übersteigerte Emotionalität. Subtypen der histrionischen Persönlichkeitsstörung, darunter der theatralische, kokette, infantile, hyperaktive, somatische, anspruchsvolle oder reizbare Subtyp, bieten eine detaillierte Betrachtung, die bei der Diagnose hilfreich sein kann.

Therapeutin erstellt Diagnose: Histrionische Persönlichkeitsstörung

Was ist der Unterschied zwischen histrionisch und narzisstisch?

HPS:

Hauptmerkmal: Starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung durch dramatisches und emotionales Verhalten.
Verhalten: Übertriebenes und theatralisches Auftreten, oft sexuell provokativ.
Emotionen: Intensiv, aber meist oberflächlich und schnell wechselnd; häufige emotionale Ausbrüche, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Selbstbild: Oft wechselhaft und stark von der Wahrnehmung durch andere abhängig.

Narzissmus:

Hauptmerkmal: Übersteigertes Selbstwertgefühl und Anspruchsdenken.
Verhalten: Arroganz, mangelnde Empathie, Ausbeutung anderer zur Erreichung eigener Ziele.
Emotionen: Weniger intensive, aber stark selbstbezogene Emotionen; Empfindlichkeit gegenüber Kritik und mangelnde Fähigkeit, tiefere emotionale Bindungen zu erleben.
Selbstbild: Überzogenes Gefühl von Wichtigkeit und Überlegenheit.

Unterschied zwischen Histrionischer Persönlichkeitsstörung (HPS) und Borderline-Persönlichkeitsstörung

HPS:

Hauptmerkmal: Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung durch dramatisches Verhalten.
Emotionen: Intensiv, aber meist oberflächlich und schnell wechselnd.
Beziehungen: Instabil, aber weniger geprägt von extremen Konflikten und Angst vor dem Verlassenwerden.
Selbstbild: Schwankend und stark abhängig von der Wahrnehmung durch andere; oft fühlen sie sich ohne Aufmerksamkeit wertlos.

Borderline:

Hauptmerkmal: Intensive Angst vor Verlassenwerden und extrem instabile Beziehungen.
Emotionen: Sehr intensive und lang anhaltende Emotionen, oft mit extremen Stimmungsschwankungen.
Verhalten: Selbstverletzendes Verhalten, impulsive Handlungen und intensive Angst vor dem Alleinsein.
Selbstbild: Stark gestörtes Selbstbild, oft geprägt von tiefen Unsicherheiten über das eigene Wesen / den eigenen Wert; häufige Gefühl von Leere und Identitätskrisen.

Therapeut und Patient bei der Therapie für HPS

Welche Therapie hilft bei histrionischer Persönlichkeitsstörung?

Eine Therapie kann die histrionische Persönlichkeitsstörung nicht “heilen”, in dem Sinne, dass die Betroffenen von den Ursachen und Symptomen gänzlich befreit werden können. Allerdings kann sie die Schwere abmildern und den Betroffenen Methoden zur Bewältigung an die Hand geben:

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hilft den Betroffenen, ihre Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu ändern. KVT kann besonders effektiv sein, um das dramatische Verhalten des “Attention Seeking” zu reduzieren und gesündere Wege der Bedürfnisbefriedigung zu erlernen.
  • Ursprünglich für die Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt, kann Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) auch bei HPS hilfreich sein. Sie fokussiert sich auf die Verbesserung der emotionalen Regulation, der Achtsamkeit und der zwischenmenschlichen Fähigkeiten.
  • Die Psychodynamische Therapie zielt darauf ab, unbewusste Konflikte und Emotionen zu erkennen und zu bearbeiten, die das dramatische Verhalten und die instabilen Beziehungen der Betroffenen antreiben.

 

Worauf achte ich in meiner Arbeit als Verhaltenstherapeut?

Um mit Patienten mit histrionischen Persönlichkeitsstörung eine stabile und vertrauensvolle Beziehung zu etablieren, achte ich über den gesamten Therapieverlauf darauf, klare Grenzen zu setzen.
Mein Hauptziel ist es, das Selbstwertgefühl und die Selbstakzeptanz meiner Patienten zu stärken und ihnen Techniken zur Kontrolle impulsiver und intensiver emotionaler Reaktionen zu vermitteln. Ein gefestigtes Selbstbild hilft ihnen dabei, ihre manipulativen Verhaltensmuster zu reduzieren. So lernen meine Patienten, stabilere und gesündere soziale Beziehungen zu führen. Eine weitere Facette der Behandlung besteht darin, langfristige sichere Ziele als Ausblick für das Leben zu erarbeiten.

Sie suchen Unterstützung in Berlin? Wenden Sie sich an mich!

Falls Sie sich nach einer Verhaltenstherapie in Berlin umsehen, nehmen Sie Kontakt zu meiner Praxis auf.
Gerne begleite ich Sie dabei, neue Verhaltensweisen zu üben, langfristige Veränderungen zu erreichen ein erfüllteres Leben zu führen.

Psychotherapeut Herbert Marten