Körperdysmorphe Störung: Therapie öffnet den Weg aus der Scham
Personen mit einer körperdysmorphen Störung (kdS) haben eine verzerrte Körper-Wahrnehmung. Sie sehen und bewerten ihr Äußeres anders als andere. Vermeintliche Makel, die ein Gegenüber möglicherweise gar nicht bemerkt, bilden den Nährboden für eine extreme Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper oder Gesicht. Beschäftigt sich jemand stundenlang und intensiv mit seinen scheinbaren Unzulänglichkeiten, kann dieses Verhalten einen starken Leidensdruck erzeugen. Betroffene leiden zudem in vielen Fällen über viele Jahre und voller Scham unter den Folgen ihrer verzerrten Wahrnehmung, bevor sie für die körperdysmorphe Störung eine Therapie bzw. Behandlung in Erwägung ziehen.
Body dismorphic disorder / BDD-Störung
Die körperdysmorphe Störung ist auch unter den Bezeichnungen Dysmorphophobie, Entstellungssyndrom oder body dysmorphic disorder (BDD) bekannt. Vor allem der englische Begriff ist in sozialen Medien gebräuchlich.
ℹ️ Der Begriff Dysmorphophobie setzt sich altgriechisch aus dys für schlecht/falsch, morphé für Form und phóbos für Furcht zusammen und bezeichnet gleichsam die Angst, missgestaltet zu sein.
Üblicherweise beginnt eine Dysmorphophobie in der Adoleszenz (Teenager- bis junges Erwachsenenalter). Bei Frauen scheint sie häufiger aufzutreten. Bis zu 3 % der Menschen können zu einem Zeitpunkt in Ihrem Leben betroffen sein und eine körperdysmorphe Störung entwickeln, doch die Dunkelziffer ist hoch. In der Regel ist der Verlauf der Erkrankung chronisch und die Dauer der Störung beträgt im Durchschnitt etwa 16 Jahre.
Fixierung auf eingebildete Makel im Gesicht oder am Körper
Im Zuge der verzerrten Wahrnehmung bezeichnen BDD-Betroffene die vermeintlichen Mängel ihres Körpers als unattraktiv, deformiert, scheußlich, hässlich, abartig, ekelhaft oder monströs.
Die wahrgenommene Hässlichkeit der eingebildeten Makel bezieht sich häufig auf das Gesicht oder den Kopf-Bereich.
Im Speziellen richtet sich die Besorgnis von Patient*innen mit einer körperdysmorphen Störung auf:
- den Zustand der Haut (Behaarung, Falten, Narben, Akne, sichtbare Gefäße, Farbe des Teints)
- die Form von Gesichtsteilen wie Nase, Augen, Mund, Lippen, Zähne, Kinn oder Kiefer
- die Beschaffenheit der Körper-, Gesichts-oder Kopfbehaarung (zu viele, zu wenige Haare)
- die Form von Körperteilen, wie Brüste, Beinen, Po oder anderer Körperteile.
Der negative Fokus der betroffenen Patienten kann zudem von einem auf einen anderen Körperteil wechseln. Besteht die Wahrnehmung, der Körper sei nicht muskulös und schlank genug (häufig bei Männern), kann eine sog. Muskeldysmorphie vorliege
Körperdysmorphe Störung anhand der Symptome und Folgen erkennen
Was sind die charakteristischen Anzeichen und Symptome von körperdysmorphen Störungen?
- Die Beschäftigung mit dem Aussehen umfasst viele Stunden: Betroffene verbringen einen signifikanten Teil des Tages damit, über ihre vermeintlichen Mängel nachzudenken.
- Sie sind der festen Überzeugung, dass diese Mängel anderen Personen ins Auge stechen und sie dafür verspottet oder missachtet werden.
- Betroffene kontrollieren ihr Aussehen permanent im Spiegel, vermeiden streng den Blick in den Spiegel oder wechseln zwischen diesen beiden Verhaltensweisen.
- Sie betreiben zwanghafte, übermäßige Körper- oder Hautpflege (grooming, Dermatillomanie / Skin-Picking) oder berühren den sorgenbereitenden Körperbereich häufig.
- Weiter treten auf: Häufiges Umziehen, das Bestreben, die angeblich entstellten Bereiche durch Make Up oder andere Mittel zu verstecken oder zu überdecken (camouflaging).
- Betroffene vergleichen ihr Aussehen mit anderen und suchen im sozialen Umfeld direkt und indirekt nach Feedback zu dem wahrgenommenen Makel.
- Personen mit einer BDD-Störung können dazu tendieren, die Öffentlichkeit zu vermeiden – aus Angst vor Ablehnung oder Demütigung aufgrund der ‘Entstellung’.
Habe ich body dysmorphia?
Die oben genannten symptomatischen Gedanken und Verhaltensweisen können aber müssen bei body dysmorphia nicht alle parallel vorliegen. Zudem treten sie möglicherweise abrupt auf oder entwickeln sich über eine Zeit allmählich. Ferner finden sie nicht immer zwangsläufig in derselben Intensität statt.
Meist werden sie oft oder als Zwangshandlung durchgeführt und dienen den Bedürfnissen nach a) Kontrolle des Makels und b) Vermeidung, dass das Aussehen als scheußlich wahrgenommen wird.
→ Die Angst des Patienten davor, als missgestaltet wahrgenommen zu werden, bleibt jedoch trotz der Verhaltensweisen bestehen und wird nicht reduziert.
Mögliche Folgen von BDD-Störungen
Welche Folgen kann eine body dysmorphic disorder auf Betroffene haben?
- Sozialer Rückzug, soziale Phobie und Isolation: Patient*innen verlassen das Haus ungern, kaum, gar nicht oder nur nachts
- Leidensdruck und Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit in sozialen, akademischen oder beruflichen Kontexten
- depressive Symptomatik
- Suizidgedanken und Suizidversuche
- Muskeldysmorphie-Betroffene können die Einnahme von gefährlichen Androgen-Supplementen beginnen / in Erwägung ziehen.
- Wunsch nach / Durchführung von plastisch-chirurgischen oder zahnärztlichen Eingriffen.
Lassen Patienten, die von kdS betroffen sind, eine Schönheitsoperation vornehmen, so ist deren Ergebnis oftmals nicht zufriedenstellend und kann die Gedanken an und die Beschäftigung mit dem Makel intensivieren. Ärzte, die die kosmetischen, zahnärztlichen oder chirurgischen Eingriffe am Aussehen vornehmen, diagnostizieren nur selten eine vorliegende körperdysmorphe Störung.
Welche Ursachen gibt es für eine körperdysmorphe Störung?
Die Ursachen für eine körperdysmorphe Störung sind bei den Betroffenen nicht identisch und nicht abschließend erklärt. Als Ursachen für das Verhalten werden in der Medizin folgende Aspekte diskutiert: Dysbalancen im Serotoninhaushalt, eine außerordentliche Wahrnehmung von Ästhetik und Schönheit, eine zwanghafte Persönlichkeitsstruktur oder fehlerhafte Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse wie auch psychosoziale Gründe. Doch auch gesellschaftliche Einflüsse wie Schönheitsideale oder Konzepte zum idealen Aussehen von ‘weiblich’ und ‘männlich’ sind mögliche mitverantwortliche Gründe. Zudem können eine bestehende oder ehemalige körperliche Erkrankung sowie negative Erfahrungen bzw. kritisches Feedback zum Äußeren des/der Patient*in eine Rolle spielen.
Diagnose & begleitende psychische Erkrankungen
Aus Scham verschweigen Betroffene die Symptome oftmals über eine lange Zeit, was folglich eine frühzeitige Diagnose verhindern kann. Darüber hinaus kommt es bezogen auf kdS häufig zu Fehldiagnosen oder zu einer Unterschätzung des Schweregrads. Hinzu tritt die Möglichkeit, die Symptome der körperdysmorphen Störung mit anderen psychischen Erkrankungen zu verwechseln.
ℹ️ Bis zu einem gewissen Grad ist es durchaus normal, unzufrieden mit dem eigenen Aussehen zu sein. Bemerken Sie bei sich selbst oder bei Freunden / Angehörigen jedoch eine starke Ausprägung der oben gelisteten Symptome, ist eine Abklärung durch einen Arzt ratsam.
Gesellschaftliche Aktualität der body dysmorphic disorder
In Zeiten der Selfie-Kultur in den sozialen Medien stehen viele Menschen sich nicht mehr nur im Spiegel gegenüber. Selbstportraits und Videos auf Plattformen wie TikTok stellen zusätzliche alltägliche Begegnungspunkte mit dem eigenen Abbild dar - öffentlich und kommentierbar. Hinzu kommen neueste technische Möglichkeiten durch Filter, die es digital erlauben, beispielsweise die Augenfarbe, die Frisur oder die Körper-Silhouette per Klick zu transformieren. Ferner wächst der Markt im Beauty-Segment: Das Angebot reicht von Wimpernverlängerung bis hin zu künstlichen Muskel-Implantaten. Die Vielfalt an Optionen, das eigene Körperbild digital oder real zu verändern, steigert den gesellschaftlichen Druck, mit Schönheit beeindrucken zu müssen. Vor allem für Personen mit körperdysmorpher Störung können diese gesellschaftlichen Tendenzen die psychische Erkrankung verstärken oder verfestigen.
Welche Arten von Dysmorphophobie-Therapie gibt es?
Die für kdS charakteristische Überzeugung oder Angst, entstellt, unattraktiv oder hässlich zu sein, ist im Rahmen einer Dysmorphophobie-Therapie behandelbar. Klinisch bewährt haben sich medikamentöse und psychotherapeutische Ansätze (kognitive Verhaltenstherapie) für die Behandlung von BDD.
Body-dysmorphia: Behandlung durch Medikamente
Eine psychopharmakologische Behandlung kann auf der Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), Clomipramin, MAO-Hemmern und Antipsychotika basieren.
Kognitive Verhaltenstherapie bei körperdysmorpher Störung
Neben der genannten medikamentösen Behandlung ist die kognitive Verhaltenstherapie bei körperdysmorpher Störung ein wirksamer Ansatz mit guten Chancen, die kdS zu überwinden, sowie begleitende Störungen und Beschwerden (z. B. Angststörung, Depression, Isolationsverhalten) zu mindern.
Im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie arbeitet und übt der Psychotherapeut gemeinsam mit dem/der Patient*in vornehmlich daran:
- die kontrollierenden Rituale rund um den Makel zu reduzieren bzw. aufzugeben sowie
- durch Exposition das soziale Vermeidungsverhalten zu mindern.
Unterstützend wird der Therapeut den betroffenen Patienten darin schulen, sich selbst für die Auslöser der symptomatischen Verhaltensweisen kognitiv zu sensibilisieren, die Überbetonung des Aussehens als Maßstab zur Bewertung von Menschen abzubauen oder gezielt die ritualisierten Verhaltensweisen durch neue Handlungen zu ersetzen.
Therapeutische Hilfe suchen und finden
Patienten mit einer körperdysmorphen Störung haben zumeist einen zwiespältigen Bezug zu ihrer Krankheit. Zum einen verspüren sie einen immensen Leidensdruck durch die psychischen, körperlichen oder sozialen Symptome. Zum anderen fühlen sie eine große Angst davor, ihre bisherigen Verhaltensweisen loszulassen und neue zu trainieren.
Ein wichtiger Schritt zur Bewältigung der körperdysmorphen Störung ist es, sich in psychotherapeutische Behandlung zu begeben und gerne begleite ich Sie auf diesem herausfordernden Weg.
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